Denn Hebammen und Entbindungspfleger stellen aus ihrem praktischen Erfahrungswissen heraus andere Wissens- und Forschungsfragen als die, mit denen sich die medizinische Forschung beschäftigt. Dort geht es in der Regel um Ursachen von Krankheiten und Dosis/Wirkung von medizinischen Produkten oder Arzneimitteln. In der Hebammenforschung hingegen geht es um die Frage, wie die Lebensphase von Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und früher Elternschaft gestaltet sein muss, damit Frauen und ihre Kinder nachhaltig psychisch und physisch gesund bleiben. Die Frage, wie Gesundheit entsteht, beschäftigt Hebammen und Entbindungspfleger in diesem Zusammenhang ebenso wie die Frage nach der Wirkung spezifischer Betreuungskonzepte während der Geburt – wie der Eins-zu-eins-Betreuung oder dem Hebammenkreißsaal – oder die Frage nach den Bedürfnissen von Frauen in besonderen Lebenslagen.
Hebammenwissen macht es möglich, dass theoretisches Wissen durch die Beantwortung dieser Forschungsfragen in die Praxis überführt wird. Es ist ein Konglomerat aus geburtshilflichem, praktischem Erfahrungswissen und dem Wissen um Studienergebnisse, wie sie zu interpretieren sind und wie sie sich gegebenenfalls in die Praxis überführen lassen. Diese Zutaten des Hebammenwissens prägen auch die Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten, Pflegekräften, Sozialarbeit und so weiter. Hebammenwissen macht es damit möglich, dass die Förderung der Gesundheit von Frauen und ihren Kindern in der Lebensphase von Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und früher Elternschaft nicht nur von Hebammen und Entbindungspflegern selbst als gesellschaftspolitischer Auftrag verstanden wird.
Hebammenwissen(schaft) macht es möglich, dass traditionelles Hebammenwissen systematisiert wird und nicht verloren geht, und gibt darüber hinaus Frauen in Forschungsprojekten sowie in der Entwicklung von Leitlinien und Expert(inn)enstandards eine Stimme in Bezug auf die geburtshilfliche Versorgung, die sie erfahren.
Die Frauengesundheit in Zusammenhang mit einer Geburt wurde lange Zeit von der
Gesellschaft und der Gesundheitspolitik nicht beachtet. Dies hat sich in den vergangenen Jahren ein wenig geändert und wird sich auch noch weiter ändern. Hebammenwissen hat dies möglich gemacht.