16. Deutscher Hebammenkongress – Highlights Tag 1

Die Technik stand, über 1.200 Teilnehmer*innen angemeldet, so startete der 16. Deutsche Hebammenkongresses gleich mit Themen aus der Forschung. Einige Highlights haben wir für Sie zusammengefasst.

Forschungsforum

Am ersten Tag zeigt sich bereits, wie vielfältig Hebammenforschung ist, obwohl eine der Forscherinnen Kindergesundheits- und Krankenpflegerin ist. Zwei sehr interessante Vorträge, in denen Ergebnisse von Forschungsarbeiten präsentiert wurden und ein Vortrag zu Methoden und deren Auswahl standen am Anfang des 16. Hebammenkongresses. Rafaela Joos berichtete über die „Zeichenlehre des gesunden Geburtsverlaufes“. Zuerst konnte ich damit nichts anfangen, aber als Frau Joss loslegte wurde mir klar, dass hier Worte dafür gefunden wurden, um die Beobachtungen, die Hebammen bei der Geburt machen, qualitativ abzubilden. Sehr praxisnah, so Erfahrungswissen reproduzierbar zu machen und in Worte zu fassen. Sehr schön auch die selbstgezeichneten Charts. Souveräner Vortrag, interessantes Thema.

Anja Siegle, die nicht Hebamme ist, schloss mit einem Zitat: „Forsche nie in deinem eigenen Garten“. Daher kam der Ansatz, etwas zu untersuchen, das nicht den Fokus auf einen Aspekt der Pflege (ihres Gartens) legte. Das an sich trockene Thema „Implementierungsforschung“ zu erläutern und warum sie sich genau für diese Methode entschieden hat, konnte sie mit Leben füllen. Ebenso an bestimmten Punkten darzustellen, warum es gut war, genau diese Methode zu wählen und warum es wichtig ist, zur Implementierung zu forschen. Wenn Leitlinien und Expertinnenstandards zwar erarbeitet, aber nicht seriös implementiert werden, dann kann auch nie der Impact, den diese Arbeit auf das geburtshilfliche Management hat, nachgewiesen werden. Wirklich erhellend.

Lena Ontrup führte in eine noch relativ unbekannte Forschungsmethode ein, die „Narrative Inquiry Methode“. Ihre Forschungsfrage war, welche Erfahrungen von Hebammen dazu führen, dass sie aus dem Beruf aussteigen. Sie wollte überprüfen, wie so etwas wie „Schuld“ (Beteiligung an schlechter Betreuung) oder ein „schlechtes Gewissen“ dabei eine Rolle spielen. Sie stellte diese aufwändige und sehr intensive Methode anhand von Beispielen vor und schaffte es, die Besonderheit dieses Forschungsansatzes darzustellen. Ein toller Einstieg in den Kongress.

Yvonne Bovermann moderierte souverän über kleine technische Schwierigkeiten hinweg und war sichtlich beeindruckt von der Qualität der vorgestellten Arbeiten. Zu Recht!

Fachforum Diskriminierung

Das Forum begann mit einem großartigen Vortrag von Benash Nazmeen, die von den vielfältigen Folgen berichtete, die bewusster und vor allem unbewusster Rassismus für die davon Betroffenen haben kann. Ein Licht ging mir persönlich auf, als sie davon sprach, dass auch Krankheitsbilder, die wir lernen, in erster Linie an heller Haut beschrieben werden. Die Frage, wie ein Ikterus bei Kindern aussieht, die nicht helle Haut haben, habe ich mir noch nie gestellt (das ist mir peinlich, ist aber so). Ebenso sprach sie darüber, dass Rötungen bei Menschen mit dunkler Haut ein absolutes Alarmsignal sei und im Übrigen stellte sie die Frage, wie zyanotische Lippen eigentlich bei Babys of Color aussehen? Begleitet wurde der Vortrag beispielsweise auch durch ein eindrucksvolles Interview von Muhammed Ali, der über seine Wahrnehmungen zum Thema wie über schwarze Menschen und wie über weiße Menschen geschrieben wird, erzählte: Jesus, seine Jüngerinnen* und auch Engel sind nie mit schwarzer Hautfarbe dargestellt. Das hat ihn schon als Kind irritiert und daran zweifeln lassen, dass er in den Himmel kommen kann. Glücklicherweise hatte er eine sehr weise und schlagfertige Mutter, die ihm diese Sorge nahm. Ein Vortrag, der so manches Licht in meinem Kopf angemacht hat. Einziger Wermutstropfen: er war nicht live, sicher damit eine Übersetzung ins Deutsche unterlegt werden konnte, die leider einige Teile der Präsentation überdeckt hat.

Die anschließende Diskussion war ein guter Anschluss an die Situation, wie sie sich nicht nur für von Rassismus betroffene Menschen in Deutschland darstellt. Das persönliche Erleben so manch ausgrenzender Erfahrung gab dem Vortrag dann noch einen Kick und führte in die deutsche Gegenwart. Die Moderatorin Peggy Patschke moderierte gekonnt und empathisch durch das, für sie sicher neue Thema.

Susanne Steppat, Chefredakteurin Hebammenforum

Fachforum der Jungorganisation des Deutschen Hebammenverbandes (DHV), die Jungen und Werdenden Hebammen „JuWeHen“

Eine tolle, mitreißende „Werbe-Veranstaltung“ für ihre Sache haben die JuWeHen an diesem ersten Kongresstag ins Programm gezaubert.

Zunächst startete Prof.in Dr.in Nicola Bauer mit einem Kurzvortrag zur Zukunftsperspektive werdender Hebammen in die Veranstaltung. Was können die jungen Hebammen, die so motiviert und doch mit viel Druck und Verantwortung ihre Arbeit aufnehmen, aktuell tun, um positiv auf die Zukunft ihres eigenen Berufsstandes einzuwirken? Die „Empfehlungen“ der Professorin von der hsg Bochum – selbstbewusst in die Arbeit gehen, sich was trauen, professionell und fordernd auftreten. Diese Worte fühlen sich an wie Rückenwind für genau das, was die JuWeHen in den letzten Monaten angestoßen haben.

Man spürt, worauf die Jungorganisation des DHV drängt: Eine Kultur des Miteinanders zu schaffen, um letztendlich eine neue Qualität in der Geburtshilfe zu erreichen – für die Frauen und die Hebammen! Ein eindrucksvoller, augenzwinkernder wie nachdenklich stimmender Sketch macht das Dilemma der jungen und werdenden Hebammen deutlich: Der Alltag im Kreißsaal zwischen Realität und Idealismus. Der Widerstreit, Teil eines Systems zu sein, das nach bestimmten Vorgaben „am Laufen“ gehalten werden muss und dem eigenen, persönlichen Anspruch aus bestem Gewissen der Frau gegenüber zu handeln.

Karla Laitko und Liesbeth Scherzer, Mitgründerinnen der JuWeHen, gaben einen Rückblick auf die Entstehung der Jungorganisation und zeigten, wie viel öffentliche Wahrnehmung die JuWeHen in den letzten Monaten erreicht haben und wie viele Mitstreiter*innen sie bereits mobilisieren konnten.

Nina Negi und Ronja Stadler führten authentisch durch eine sehr gelungene Veranstaltung. Hier entwickelt sich eine junge Generation von Hebammen, die Visionen hat, die etwas verändern will, die Missstände aufzeigen will, die das Wohl von Frau und Kind klar im Fokus hat. Und die auch in diesem Fachforum wieder deutlich gemacht hat: Dieser Weg geht nur über den Weg des konstruktiven Miteinanders auf Augenhöhe mit den beteiligten Akteur*innen.

Karen Kunze, DHV-Kommunikation